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Was für ein Glück

Mein Vater liebte es, am Sonntag Ausflüge zu unternehmen. Eine kleine Freude war das für ihn, jenseits des Alltags. Wir Kinder mussten natürlich mit. Oft zu unserem Verdruss. In der Gegend herumfahren, etwas ansehen, einen ausgiebigen Spaziergang machen und in irgendeinem, mittelprächtigen Landgasthof einkehren – das schien uns wenig attraktiv.

Nun sind viele Jahre ins Land gegangen und bei was ertappe ich mich? Am Sonntag fahren wir – mein Mann und ich – liebend gerne raus, schauen uns das eine oder andere an, machen einen längeren Spaziergang und kehren zu guter Letzt in einem Gasthof ein, bei dem uns die Speisekarte halbwegs vertrauenswürdig scheint.

Auf diese Weise erobern wir uns Stück für Stück unsere Umgebung, die dabei auch unversehens zur Heimat wird. Letzten Sonntag war es wieder einmal so weit: Das Wetter freundlich, nicht zu heiß. Das Oderbruch sollte unser Ziel sein. Viel hatten wir davon gehört, aber als Neubrandenburger keine rechte Vorstellung. Ich hatte nur die leise Ahnung, es würde anders sein als alles, was ich bisher kenne.

Und genauso war es auch: Der Weg durch die Wälder, dann der Blick hinunter in die Ebene und dann die Fahrt durch das flache Land. Die Dörfer mit ihren Schlössern und Höfen. Das zarte Grün der Bäume, das leuchtende Getreide. Die vielen Störche, ja, die Vögel überhaupt. Schon lange nicht mehr habe ich so viele Mehlschwalben gesehen.

Schließlich die Oder selbst – der lange, ruhige Fluss. Auch über der Landschaft liegt eine große Ruhe. Die Zeit vergeht ganz langsam; sie scheint fast still zu stehen.

Als wir abends heimkommen, merke ich, wie die Landschaft in meinem Herzen nachglüht: Eine Seelenlandschaft – das weite Land, das Grün, der Fluss. Sie rühren mich im Innersten an.

Zu einem Ausflug sind wir aufgebrochen, um die Gegend ein bisschen zu erkunden. Als reich Beschenkte sind wir zurückgekommen. Eine kleine Freude hatten wir uns machen wollen – und mit großer Freude heimgekehrt. Was für ein Glück – mitten in diesen Zeiten!

Andrea Wagner - Pinggéra