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Einfach so

Es ist früher Morgen. Ich gehe die Bernauer Straße hinunter, am Mauerdenkmal entlang. Im Glitzerregen der unzähligen Rasensprenger nehmen Amseln, Stare, Spatzen und Kolkraben ein Bad.

Kurz hinter der Versöhnungskirche sehe ich eine ältere Frau auf mich zukommen, vielleicht um die 80 Jahre alt, mit einer quietschgelben Handtasche über der Schulter und einem bunten Sommerkleid. Als wir aneinander vorbeigehen, strahlt sie mich an und sagt: „Haben Sie einen guten Tag! Und bleiben Sie gesund!“

Ich fahre erschrocken zusammen, erwidere schnell so etwas wie: „Das wünsche ich Ihnen auch!“, und eile weiter. Wer ist diese Frau? Oder kenne ich sie doch? Vielleicht eine Bewohnerin des Lazarus Hauses? Eine Angehörige? Oder jemand aus der Gemeinde? … Als mir klar wird, dass ich diese Frau noch niemals zuvor getroffen habe, fahre ich nochmal noch heftiger zusammen im Angesicht dieser aus dem Nichts geschenkten Freundlichkeit einer Fremden.

Perplex bleibe ich stehen und wende mich um. Weit oben steht die Unbekannte, schaut zu mir herab und winkt.

Anne C. Weihe, Lazarus Haus Berlin