Ausstellungseröffnung in Reichenwalde: 100 Jahre Geschichte eines bewegten Ortes, der viel bewegt hat
Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Immer wieder mussten zusätzliche Stühle herangeschafft werden, um allen Gästen einen Platz zu bieten – so groß war das Interesse an der Ausstellung zur 100-jährigen Geschichte der Wohnstätte Reichenwalde. Unter dem Titel „Damit Ihr mir keinen abweist – 100 Jahre Wohnstätten Reichenwalde“ wird die bewegte Geschichte der Wohnstätten und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner eindrucksvoll dokumentiert.
Im Mittelpunkt des Abends standen nicht nur historische Objekte, sondern vor allem die Menschen, ihre Geschichten und ihre Erinnerungen – lebendig erzählt in einem bewegenden Film.
Verbundleiter Johannes Mai eröffnete den Nachmittag und begrüßte die zahlreichen Gäste. Besonders freute er sich über die Anwesenheit von Paul und Werner Braune, den Söhnen des Gründers Paul Gerhardt Braune.
In seiner Ansprache stellte Mai eine zentrale Frage: „Warum diese Ausstellung?“, und antwortete: Ganz einfach: „Weil dieser Ort viel zu erzählen hat! Seit einem Jahrhundert leben in Reichenwalde Menschen, die Höhen und Tiefen erlebt, gearbeitet, gelitten und gefeiert haben. Diese Geschichten verdienen es, bewahrt und erzählt zu werden. Wenn wir sie nicht festhalten, verschwinden sie – und mit ihnen ein wichtiger Teil unserer gemeinsamen Geschichte.“ Mai betonte: „Diese Ausstellung ist ein Denkmal – für Menschen, die oft am Rand standen, aber unsere volle Aufmerksamkeit verdienen. Sie machen diesen Ort lebendig. Ihre Stimmen sollen gehört werden.“
Der Film, der im Anschluss gezeigt wurde, führt die Besucher hinter die Kulissen des Alltagslebens in Reichenwalde. Sechs Männer, die zum Teil seit Jahrzehnten in der Einrichtung leben, teilen ihre Erinnerungen: vom Heizhaus, den Traktoren, den Schlafsälen und den vielen Arbeiten auf dem Feld. Sie erzählen vom Säen und Ernten, vom Kühemelken und Holzschlagen im Wald. Sie zeigen Orte, an denen das Getreide lagerte, der Dünger aufbewahrt wurde und die Schweine lebten. Wo das Stroh lag, das Blut für die Blutwurst gerührt wurde, und wo heute noch Hühner Eier legen. Sie erzählen, wie sie früh um drei Uhr aufstehen mussten, wie sie Kartoffeln pflanzten und verkauften – und dass Reichenwalde einmal die beste Milch weit und breit hatte.
Bewohner Gerd-Rainer Falkner moderierte den Film an. Er zeigte sich stolz auf diese erste Ausstellung ihrer Art in Reichenwalde. „Es ist wichtig, dass die Menschen wissen, wie alles begonnen hat – und wie es wirklich war“, sagte er.
Projektleiterin Josefine Werner dankte allen Beteiligten: den vielen helfenden Händen, den kreativen Köpfen, den technischen Unterstützern und allen, die im Hintergrund gewirkt haben. „Ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen.“
Zum Abschluss erinnerte Stiftungshistoriker Jan Cantow an die Gründungsidee von Paul Gerhardt Braune. Er überbrachte Grüße der Stiftung und sprach allen Ausstellungsmachern seinen großen Dank aus – für ihren Einsatz, für ihre Leidenschaft und für den Mut, Geschichte sichtbar zu machen.
Danach gab es Gelegenheit, im Schloss die Ausstellung zu besichtigen. Zu sehen war die Stube, in der einst die Kolonisten lebten. Fotoalben dokumentierten die Feldarbeit und Lohnlisten gaben einen Einblick in den Verdienst der Männer. Erinnert wurde auch an Hugo Weil, der während der Nazizeit deportiert wurde. Für den am 10. April 2025 ein Stolperstein verlegt.
Die Ausstellung kann nach Terminvereinbarung mit Josefine Werner besichtigt werden: 033631-85717,
Ausstellungsort:
Wohnstätten Reichenwalde
Schloss Reichenwalde
Dahmsdorferstraße 6
15526 Reichenwalde

Hier ein paar Eindrücke der Ausstellung
https://www.lobetal.de/aktuelles/meldungen/1245-ausstellungseroeffnung-in-reichenwalde-100-jahre-geschichte-eines-bewegten-ortes-der-viel-bewegt-hat#sigProIde00895acfa
Text und Fotos: Wolfgang Kern