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110 Jahre Gottes Schutz in Gottesschutz

Heute muss ein besonderer Tag sein. Die Genezareth Kirche in Erkner war am 27. Juli bis auf den letzten Platz gefüllt. Festlich - und begleitet von Musik - zogen Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnstätten Gottesschutz. Es ist Jubiläumstag: Vor 110 Jahren das Haus Gottesschutz gegründet.

1909 hatte Pastor Friedrich von Bodelschwingh ein altes Bauerngehöft inmitten der Spreewiesen gekauft. Er hatte bei Besuchen in Berliner Asylheimen Frauen und Mädchen in großem Elend kennengelernt: „Prostituierte, obdachlose Straßenmädchen, willenlose Opfer krimineller Männer", wie es in der Chronik der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal heißt, zu dessen Verbund die Einrichtung seit 1922 gehört.

Bodelschwingh wollte den Frauen einen strukturierten Tagesablauf sowie eine geregelte Arbeit bieten, ihnen Mut, Kraft und Selbstvertrauen zurückgeben. Mit den Jahren fanden auch Frauen mit Behinderungen Aufnahme. Das dritte Reich brachte viele Bedrohungen mit sich. 1940 gelang es der Diakonisse Charlotte Schwarzkopf und Pfarrer Paul Braune die Frauen vor dem Abtransport in ein Vernichtungslager zu bewahren. Daran erinnert heute noch ein Skulptur: „Die Beschützerin“.

Während er DDR-Zeit lebten die Frauen abgeschottet und wie auf einer Insel. Es gab nur wenige Kontakte nach außen. Die Bewohnerinnen und Bewohner versorgten sich mit Obst, Gemüse, Kartoffeln und Fleisch größtenteils selbst. Nach der Wende öffnete sich die Einrichtung. 1994 zogen die ersten Männer ein, Häuser wurden saniert, weitere neu gebaut. Die Bewohnerinnen und Bewohner arbeiten auch mehr und mehr in der Umgebung, beispielsweise sind sie in der Landschaftspflege auf vielen Grünflächen in der Region anzutreffen. Zur Offenheit gehört auch, dass die Wohnstätten den Erkneraner den traditionellen Triathlon Wettbewerb zu Gast haben.

Die 110-jährige Geschichte ist eine Geschichte voller Höhen und Tiefen. In der jüngsten Vergangenheit gab es viele Veränderungen. Davon erzählten die Bewohnerinnen und Bewohner in einem Anspiel, das sie gemeinsam mit Mitarbeitenden zur Aufführung brachten. Sie berichteten davon, dass sie inzwischen eine eigene Wohnung haben. Das sei erst gar nicht einfach gewesen. „Wie wird es werden?, war die bange Frage. „Jetzt kann ich sagen: Gut, dass ich das gemacht habe“, so im Rückblick eine Bewohnerin. Ein Bewohner berichtet davon, wie er sich in seiner Wohngruppe in Woltersdorf wohl fühlt. Dort gebe es ganz kurze Wege zum Einkaufen, zu Kirche oder zum Bus. „Ich kann alles selbst entscheiden.“

Beten, danken und singen. Es war ein lebendiger Gottesdienst. Das Lied und gleichermaßen die Hymne von Gottesschutz: „Gut, dass wir einander haben, gut, dass wir einander sehn, Sorgen, Freuden, Kräfte teilen und auf einem Wege gehen“, sangen alle mit vollem Herzen und voller Kehle. Es war zu spüren und füllte den Raum, was Vorsteherin der Lazarus-Diakonie Pastorin Friederike Winter in ihrer Predigt betonte: „Gott sagt, dass wir alle liebenswerte Mensch sind. Wir können die Liebe weitergeben. So geschah es in Gottesschutz. So soll es jeden Tag sein.“

Nach dem Gottesdienst gab es reichlich Kaffee und Kuchen. Auf dem Festgelände herrschte buntes Treiben. Das Motto diesmal lautete Jahrmarkt. Eine Wahrsagerin schaute in ihre Kugel, an der Losbude und beim Büchsenwerfen konnte man Glück und Können probieren. Mitarbeiterin Ilka Degen flanierte mit ihrem Bauchladen über den Festplatz, verkaufte für ein paar Cent allerlei Dinge. Der Rüdersdorfer Wiesenzirkus Bunterhund hatte als mystische Wesen verkleidete Stelzenläufer entsandt.

Mit einem leckeren Abendessen und Tanz ging ein wunderbares Fest zu Ende, das auch 2020 seine Fortsetzung finden wird.