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Sehnsucht nach Händeschütteln

Erst kürzlich wieder. Ich treffe jemanden. Wir gehen aufeinander zu. Strecken – unbewusst – die Hand zum Gruß aus. Ziehen sie dann beide fast erschrocken zurück: „Wir dürfen ja nicht!“

Eine komische Situation. Wir beide fühlen uns unbehaglich, unhöflich. Aber das ist nun nicht zu ändern.

Was ist das, was mich so merkwürdig anfasst? Mir das Gefühl gibt, wir hätten uns überhaupt nicht ordentlich begrüßt? Natürlich, es ist die Erziehung. Tief hat sich der Satz eingebrannt: „Gib dem Besuch bitte die Hand!“

Das Händeschütteln bei einer Begrüßung ist zwar nur eine Geste der Höflichkeit. Und ist doch mehr. Die hat damit zu tun, dass wer die rechte Hand reicht, in Frieden kommt. Die Hand, die geöffnet ist zum Gruß, kann nicht gleichzeitig ein Schwert tragen. Sie ist auch nicht gleichzeitig geballt zur Faust. Noch immer genügt der Handschlag in manchen Bereichen des Lebens: damit ist der Vertrag geschlossen. Ihn zu brechen, verstößt gegen die guten Sitten.

Wer seine Hand reicht, drückt seine Verbundenheit aus. Wem das zu dick aufgetragen scheint, bedenke, was es bedeutet, wenn jemand die Hand verweigert. Sie zurückzieht oder gar nicht erst reicht. Das ist wie ein Schwall kaltes Wasser.

Natürlich – nicht immer ist es angenehm, die angebotene Hand zu nehmen: klebrige Kinderfinger, verschwitzte Hände im Sommer. Wenn jemand fürchterlich erkältet ist oder noch schlimmere Viren mit sich herumträgt, unsichtbar. Sich davor zu schützen zu müssen, kann man verstehen.

Trotzdem bin ich froh, wenn sie wiederkommt – die Zeit, in der ich anderen die Hand schütteln darf: Zur Begrüßung, zur Bekräftigung, als Glückwunsch. Denn mir geht sie schon sehr ab – die kurze Berührung im Alltag, das kleine Zeichen der Verbundenheit und Sympathie.

Pastorin Andrea Wagner-Pinggéra