90 Jahre Blütenberg: „Wir sagen DANKE Blütenberg“
Blütenberg. Dieser Name inspiriert. Pastor Ulrich Pohl nahm darauf Bezug, Ortsvorsteher Matthias Gabriel klärte auf, wie es zu diesem Namen kam und Geschäftsführerin Jeannette Pella kam ins Schwärmen.
Für Jeannette Pella ist Blütenberg ist ein Ort, der glücklich macht. Sie sagte: „Hier haben Menschen ihr Lebensglück gefunden. Sie haben Freundschaften geschlossen, Freud und Leid geteilt, haben viel gearbeitet und sind abends müde ins Bett gefallen, haben gefeiert, gesungen, sahen die Sonne auf- und untergehen, haben hier ihr Leben beendet. Es ist ein Lebensort bis heute.“
Im Gottesdienst spielten die Blütenbergerinnen und Blütenberger die Erzählung, wie Jesus die ersten Jünger anspricht. Einfache Fischer am See Genezareth und Jesus wurden Freunde, teilten Freud und Leid, zogen mit ihm durch die Lande und begeisterten Menschen für Jesus. Freundschaft, das ist auch das, was in Blütenberg zählt.
Melanie Beiner, Theologische Geschäftsführerin, blickte auf das Zutrauen, das Jesus Menschen entgegenbringt. Sie sagte in der Predigt: „Da ist einer, der traut den Fischern zu: Ihr könnt mehr, als ihr denkt. Das verbindet die Erzählung mit Ihnen allen in Blütenberg. Der Glaube daran, dass in Menschen mehr steckt, als wir vor Augen haben. Dass wir uns entwickeln, mehr können, als wir glauben.“ Das macht die Gemeinschaft in Blütenberg aus.
Über der Veranstaltung wehte dieser Geist von Blütenberg, der auch dem Regen trotzte. Er war zu spüren beim Anschneiden der Geburtstagetorte, beim Pflanzen eines Baumes, der Ausstellung „Leben in Blütenberg“, dem Bühnenprogramm, auf dem Festplatz mit Leckereien oder am Fotoautomat, an dem die Bewohner und Mitarbeitenden ihrer Kreativität freien Lauf ließen.
Der Geist von Blütenberg: Treffender als mit dem Blütenbergsong von Robert Meyer und Bernd Meier kann es nicht gesagt werden:
(In Youtube nachzuhören und zu sehen: https://m.youtube.com/watch?v=2ZzHVA1QGkA)
Blütenberg, das ist ein Ort voll Wärme, Licht und Zeit.
Wo Herz an Herz gemeinsam bleibt.
Hier wachsen Träume still und sanft, ein jeder hat sich eingebracht.
Die Türen offen, die Hände weit, gemeinsam durch die Lebenszeit
Hier zählt nicht Glanz, hier zählt Gefühl, Jedes Lächeln ist ein Ziel
Wir tragen Freude, wir teilen Last, geben Halt, wenn er Dich verlassen hat.
Aus kleinen Schritten wird ein Weg, der uns durchs Leben weiterträgt.
Du bist nicht allein, Vertrauen wächst hier.
Wir sehen Dich. Es ist OK nicht stark zu sein.
Hier wirst Du gehalten. Du musst nichts leisten, um wertvoll zu sein.
Hier darfst Du sein, wie Du bist. Hier entsteht Zukunft
Blütenberg, dort wo die Sonne immer scheint.
Ihr macht‘s mir immer leicht. Denn hier bin ich nie allein.
Ob bei Tag oder in der Nacht. Ich lass die Sonne in meinem Herz.
Wir sagen DANKE Blütenberg
Die Geschichte von Blütenberg
Die Anfänge: Ein verwahrlostes Gut wird Heimat für Obdachloe
Die Geschichte beginnt 1935 mit einer mutigen Entscheidung: Pastor Paul Braune, der damalige Leiter der Hoffnungstaler Anstalten, übernahm das verlassene Gut Blütenberg, um sogenannten „Tippelbrüdern“ – obdachlosen Wanderarbeitern – eine neue Lebensperspektive zu geben. Damals das Arbeitsgebiet der Hoffnungstaler Anstalten. In einem Freundesbrief schrieb er:
„So fassten wir den Mut, in Blütenberg, nahe von Eberswalde, ein Heim neu einzurichten. [...] Es handelt sich dabei um ein kleines Landgütchen, das völlig einsam im Hügelland liegt.“
Das Anwesen umfasste drei Wohnhäuser, einige Wirtschaftsgebäude und eine Streuobstwiese mit rund 500 Obstbäumen – daher auch der Name „Blütenberg“. Schon im Dezember 1935 wurde das Gelände offiziell eingeweiht und entwickelte sich zu einer Lebens- und Arbeitsstätte für etwa 60 Männer.
Kriegs- und Nachkriegszeit
In den 1940er Jahren prägten Kriegsgefangene, darunter Italiener, Franzosen und später russische Soldaten, die Geschichte des Ortes. Nach Kriegsende dienten die Häuser ostpreußischen Waisenkindern als Notunterkunft.
Zwischen 1945 und 1950 war in Blütenberg ein ständiges Kommen und Gehen. Vertriebene Familien mit ihren Habseligkeiten fanden dort eine vorübergehende Bleibe. Ab den 1950er Jahren zogen schulentlassene, geistig beeinträchtigte Jugendliche aus Berlin ein.
Wirtschaft und Selbstversorgung als Lebensprinzip
„Der Alltag war geprägt von Landwirtschaft und Hauswirtschaft“, erinnert sich Matthias Waldmann, der seit 1990 Blütenberg leitet. In den Ställen wurden Bullen und Schweine gehalten, das Futter wurde auf den umliegenden Feldern angebaut. „Blütenberg versorgte sich selbst. Die Arbeit ging nicht aus.“ Auch Obst- und Gemüseanbau, besonders die Apfel- und Quittenernte auf der Streuobstwiese, gehörten zum Alltag. Die Arbeit gab Struktur – ein Grundprinzip, das bis heute im Beschäftigungs- und Bildungsbereich weiterlebt.
Wachstum, Umbrüche und Improvisation in der DDR-Zeit
In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden zahlreiche bauliche Veränderungen vorgenommen – etwa der Umbau des Waldhauses mit Zentralheizung oder die Errichtung neuer Wirtschaftsgebäude wie des Pumpenhauses und einer Feldscheune. Weitere Ausbauten folgten zwischen 1978 und 1986.
Die Herausforderungen der Planwirtschaft erforderten jedoch Kreativität: „Es brauchte viel Geschick, um Baumaterialien wie Kupferkabel oder Zement zu beschaffen“, erklärt Matthias Waldmann. Die jeweiligen Heimleiter – damals Hauseltern genannt – meisterten diese Aufgaben mit Engagement. 1959 kam so etwa ein Unimog von Bethel nach Blütenberg, der heute an alte Zeiten erinnert.
Mit der Wende gingen viele Verbesserungen einher
Mit der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung 1990 begann ein neues Kapitel. Die Wohnbedingungen verbesserten sich deutlich, neue Wohnformen wurden geschaffen. Das Haus „Kieferneck“, ursprünglich „Waldhaus II“, wurde Ende 1990 eröffnet – mit Platz für 32 Menschen.
„Es war eine Zeit des Aufbruchs“, erinnert sich Waldmann. Auch die Straße nach Blütenberg wurde endlich saniert. Im Laufe der 1990er Jahre entstand der Verbund mit Eberswalde. In der Eichwerder Straße 57 erfolgten Abriss und Neubau der „Herberge zur Heimat“ und der Bau der Einrichtung „Auf dem Müllerberg“.
Dank der Unterstützung durch das brandenburgische Sozialministerium entstanden moderne Wohneinheiten für selbstständiges Wohnen und Leben: das Haus Kastanienallee mit acht Wohneinheiten und das Haus Blütenberger Weg 4a mit vier weiteren. Am 28. Februar 1997 wurden beide offiziell eingeweiht.
Auch nach der Jahrtausendwende ging der Ausbau weiter. Das Kieferneck wurde 2010 umfassend saniert, 2013 folgte die Einweihung der Ackerstraße mit Apartments für selbstständiges Wohnen. 2015 konnte die biologische Kläranlage in Betrieb genommen werden. Neue Räume für Bildung und Beschäftigung wurden 2024 in der Heegermühler Straße 3 in Eberswalde eröffnet.
Besondere Bedeutung hat für Blütenberg der Glockenturm, errichtet 1998. „Er steht für Gemeinschaft, für Beständigkeit. Eine Familie hat ihn gestiftet – gebaut wurde er gemeinsam mit den Blütenbergern“, weiß Matthias Waldmann zu erzählen. Bis vor wenigen Jahren läutete ein Bewohner täglich um 18 Uhr die Glocke. Heute übernimmt das eine Automatik – aber das Ritual ist geblieben.
Blütenberg heute: Ein Ort zum Leben
Heute leben 67 Menschen mit verschiedenen Behinderungen in Blütenberg – in Wohngruppen und mit vielfältigen Beschäftigungs- und Bildungsangeboten. Auch Senioren, die früher in Werkstätten tätig waren, finden im Bereich Beschäftigung und Bildung eine neue Tagesstruktur. Das Selbstverständnis hat sich weiterentwickelt – von der einstigen Fürsorge nun hin zur Teilhabe und Selbstbestimmung.
Wolfgang Kern