100 Jahre Reichenwalde. Das Fest!
Großer „Bahnhof“ kurz nach der Mittagsstunde am 28. Juni. Aus Nah und Fern strömten die Gäste zum Sommerfest. Der Anlass: 100. Geburtstag der Wohnstätten Reichenwalde. Während auf dem Festgelände rund ums Schloss Reichenwalde noch die letzten Vorbereitungen an Bühne, Kaffeetafel und zahlreichen Ständen liefen startete um 14 Uhr der Festgottesdienst in der Feldsteinkirche.
Pfarrer Sven Tiepner wies in seiner Begrüßung auf die von Bodelschwinghsche Mahnung „Dass ihr mir keinen abweist!“ in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Reichenwaldes hin. Er erinnerte an die „Tippelbrüder“ der 1920er Jahre. Die seitdem hier beheimatete Hilfe für Arme und Schwache sei immer gelebter Glaube gewesen.
Inhaltlich prägte die Geschichte von Jesus und dem blinden Bartimäus (Markus 10, 40-52) den Gottesdienst, die in einer Spielszene der Bewohnerinnen und Bewohner erlebbar wurde.
Was sie wollen! Nicht: Was sie brauchen!
Melanie Beiner, Theologische Geschäftsführerin der Stiftung, nahm den Faden der Bartimäus-Geschichte auf und schlug den Bogen von der biblischen Beschreibung des wieder-Sehen-Könnens in die Gegenwart. Sie stellte den Mut heraus, den Bartimäus gehabt habe, um Jesus gegen viele Widerstände daraufhin anzusprechen. Sie sah in der Reaktion von Jesus, der Bartimäus zu sich gerufen habe, eine Analogie zu der heute nötigen Frage: Was möchtest Du? „Entscheidend ist, was die Menschen wollen, nicht, was sie brauchen!“ spitzte sie im Sinne zeitgemäßer Anforderungen an Pflege und Teilhabe zu.
Mit dem gemeinsamen Lied „Gehn wir in Frieden“ klang die Veranstaltung in der Kirche so stimmungsvoll aus, wie sie sich unmittelbar danach auf dem Festgelände am Schloss fortsetzte.
Dank und Anerkennung aus der Nachbarschaft
Frank Tschentscher und Johannes Mai, Verbundleitung Süd-Ost Brandenburg, begrüßten zur Kaffeetafel. Frank Tschentscher wies darauf hin, dass auf den Tag genau vor 100 Jahren an gleicher Stelle die offizielle Eröffnung der damaligen Arbeitskolonie gefeiert wurde. Was seither in Reichenwalde entstand sei gelebte Nächstenliebe, ganz im Sinne des von Bodelschwinghschen Anspruchs und des berühmtesten Satzes von Altkanzlerin Merkel: Wir schaffen das.
Melanie Beiner überbrachte Grüße von Geschäftsführerin Jeannette Pella und dem Bethel-Vorstand und dankte allen, die diesen Tag mit organisiert hatten.
Frank Schürer-Behrmann, Superintendent des Kirchenkreises Oderland-Spree, spürt, dass er in Reichenwalde immer in die wahre Welt zu komme, wo gilt: „Jeder trage des anderen Last!“ und versprach, dass der Kirchenkreis die Wohnstätten bei anstehenden Pflanzungen unterstützen wird.
Joachim Rebele, Geschäftsbereichsleiter Teilhabe, wusste zu berichten, dass es früher oft geheißen habe: Du musst nach Reichenwalde! - während man heute höre: Ich will nach Reichenwalde. Es brauche solch inklusive Orte, um Gutes von heute nach morgen zu übersetzen.
Ortsbürgermeister Joachim Kettner freute sich über die soziale und kulturelle Kompetenz, die die Stiftung in Reichenwalde einbringe. Ruben Löwe von der Evangelischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte „Hirschluch“ in Storkow dankte ebenso für die Partnerschaft mit den Wohnstätten wie der Patienten- und Angehörigenvertreter der Immanuel Klinik Rüdersdorf, in der viele der in Reichenwalde Wohnenden medizinisch versorgt werden.
Wie passend: Eiskaltes Vergnügen bei großer Hitze
Im Anschluss an die Grußworte begann der gemütliche Teil. Kaffee und Kuchen, Rundfahrten mit dem Kremser, Besichtigungsangebote und Führungen durch die historische Ausstellung im Schloss. Bei der großen Hitze war Lobetaler Bio-Eis im neu entstehenden Café „Tortenschlachterei“ gerade das passende Angebot. Mit einem Quiz, gemeinsamem Abendbrot und Livemusik klang der geschichts- und ereignisträchtige Tag aus.
Andreas Gerlof
Fotos: Raimund Müller
https://www.lobetal.de/aktuelles/meldungen/1251-100-jahre-reichenwalde-das-fest#sigProId15e073832d
Infokasten:
Die Jubiläumsfeierlichkeiten fanden auf den Tag genau 100 Jahre nach der durch den damaligen Verein Hoffnungstal feierlich begangenen Gründung der Arbeitskolonie bei Storkow statt. Weil die Arbeitsangebote in Rüdnitz und Lobetal für die gewachsene Anzahl heimatloser und gestrandete Männer nicht mehr ausreichten kam es 1924 zum Erwerb von Gebäuden und umliegenden Flächen im Dorf Reichenwalde, im Februar 1925 zogen die ersten Bewohner dort ein. Bereits nach kurzer Zeit fanden hier bis zu 70 Männer Arbeit und Unterkunft. Heute begleiten die „Wohnstätten Reichenwalde“ Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, psychischer Erkrankung oder erworbener Hirnschädigung. Die Einrichtung bietet darüber hinaus Trainingswohnen für Menschen mit seelischer und geistiger Beeinträchtigung an. Insgesamt verfügen die Wohnstätten über 88 Plätze sowie Angebote im Bereich Beschäftigung und Bildung. |