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Von Kuhfladen, Lupinen, Fleckvieh und Kreislaufwirtschaft: Lobetaler Flur- und Stallbegehung

Die Landwirtschaft der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal konzentriert sich auf die Standorte Lobetal und Dreibrück. In Dreibrück werden 85 Mastrinder gehalten und knapp 175 Hektar Ackerland angebaut. In Lobetal sind dies knapp 394 Hektar Ackerland. Es werden 180 Rinder gehalten, davon 53 Milchkühe. Der Rest verteilt sich auf weibliche Jungrinder und Bullenkälber. Jährlich findet mit einem Expertenteam die Flur- und Stallbegehung statt, um sich von der Qualität zu überzeugen und um Herausforderungen in den Blick zu nehmen.

Ein Kuhfladen ist Lebensraum für ca. 4.000 Insekten. Diese wiederum sind Nahrung für Vögel und anderes Getier. Was für eine Vielfalt!“ Davon schwärmt der Lobetaler Landwirt Tobias Böttcher vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der alljährlichen Stall- und Flurbegehung, die im Juli stattfand. Er macht deutlich: „Wenn Viehhaltung nur unter CO2-Gesichtspunkten betrachtet wird, dann ist das deutlich zu kurz gesprungen. Viehwirtschaft kann nachhaltig betrieben werden und ist wertvoll für die Ökologie.“ Das geschehe in der Lobetaler Landwirtschaft Tag für Tag. Vor 15 Jahren wurde mit der Naturlandzertifizierung bewusst der ökologische Weg gewählt und wird seitdem konsequent weiterentwickelt.

Flur- und Stallbegehung ist eine wichtige Veranstaltung der Lobetaler Landwirtschaft. Geschäftsführung, Expertinnen und Experten sowie Mitarbeitende diskutieren dabei den Stand der Dinge.
Flur- und Stallbegehung ist eine wichtige Veranstaltung der Lobetaler Landwirtschaft. Geschäftsführung, Expertinnen und Experten sowie Mitarbeitende diskutieren dabei den Stand der Dinge.

Kreislaufwirtschaft tritt mehr und mehr in den Mittelpunkt

Böttcher nennt Beispiele: Statt des gewohnten schwarz-weißen Holstein-Friesian-Rindes steht immer mehr Fleckvieh im Stall. Die braunen Kühe sind Zweinutzungsrinder. Sie geben zwar etwas weniger Milch, sind aber widerstandsfähiger, erzeugen weniger Methan und sind am Ende gute Fleischlieferanten. Die Tiere kommen mit einem Futter klar, das auch unter klimatisch veränderten Bedingungen gut wächst. Unter anderem sind das Lupinen, die auf 70 Hektar Land angebaut werden. Diese geben das nötige Eiweiß, damit die Kühe beste Milch für Lobetaler Bio-Joghurt geben können. Zudem binden die Pflanzen Stickstoff im Boden, das wiederum das Getreide in den Folgejahren gut wachsen lässt. Statt Futtermittel zu kaufen, setzt Tobias Böttcher auf Selbstversorgung. „Da weiß man, was drin ist und es gibt keine langen Transportwege. Das Futter ist frisch, lecker und nachhaltig.“ Er ist vom Konzept der Kreislaufwirtschaft überzeugt und der Erfolg gibt ihm recht. Auch die Rinder werden regional vermarktet und in Metzgereien der Region geschlachtet.

Man sieht auf den ersten Blick: Den Tieren geht es gut. Dazu braucht es kein Fachwissen. Zuerst in Dreibrück und später in Lobetal empfängt das neugierige Rindvieh mit bester Laune, guter Statur und glänzendem Fell die Fachleute. Munter kauen sie das Futter. Es scheint zu schmecken. Futtermittelberater Ralf Papendiek und die Tierärztinnen Lisanne Tesch und Nicol Gericke sind besonders von der Silage angetan. „Da bekommt man direkt selbst Appetit“, lacht Papendiek.

Die Silage macht einen guten Eindruck.

Ohne Fachlichkeit kein Erfolg

Dahinter verbirgt sich umfassendes Fachwissen, exakte Planung und stetige Kommunikation. Der ehemalige Leiter der Landwirtschaft, Dr. Günter Hartmann und Tobias Böttcher blicken über die Felder. Die beiden kennen in Dreibrück und Lobetal jede Ackerfurche. „Man muss wissen, wo der Boden was hergibt, um bestmöglich zu wirtschaften“, sagt Dr. Hartmann. Saatgut-Berater Heiko Friedrich bezeichnet den Lobetaler Boden als außergewöhnlich. Er kenne kaum einen schlechteren. Dennoch: „Was Ihr hier trotzdem rausholt, erstaunt mich immer wieder“, sagt er und hat gleich Vorschläge parat, wie sich vielleicht noch etwas mehr machen ließe. Tierwirt Paul Chudzinski und sein Kollege Daniel Nieseck haben sich zu Besamungstechnikern ausbilden lassen, um noch effizienter den Nachwuchs zu managen, bislang mit beeindruckenden Erfolgen. Herdenmanagerin Karin Bartz ist die gute Seele der Tiere. Ob Lisa, Helma, Martin, Jan: Sie kennt alle mit Namen und sieht sofort, wie es ihnen geht und ob sie eine bestimmte Zuwendung benötigen. Im nächsten Jahr wird ein neuer Stall entstehen. Dieser ist dann geeignet zum Einstreuen von Stroh, damit eine tiergerechtere Haltung möglich ist und Mist auf die Felder ausgebracht werden kann. Das ist sicher eine der sinnvolleren Vorgaben, die aus Europa kommen.

Man sieht auf den ersten Blick: Den Tieren geht es gut. Dazu braucht es kein Fachwissen. Zuerst in Dreibrück und später in Lobetal empfängt das neugierige Rindvieh mit bester Laune, guter Statur und glänzendem Fell die Fachleute.
Man sieht auf den ersten Blick: Den Tieren geht es gut. Dazu braucht es kein Fachwissen. Zuerst in Dreibrück und später in Lobetal empfängt das neugierige Rindvieh mit bester Laune, guter Statur und glänzendem Fell die Fachleute.

Das Team ist die Basis

Überhaupt, die vielen EU-Vorgaben. Nicht immer erschließt sich deren Sinn. Tobias Böttcher wünscht sich da oft mehr Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Dass die Entscheidungen, die er trifft, Hand und Fuß haben, daran haben sein Team, die Bereichsleitung und die Geschäftsführung keinen Zweifel. Das Team ist die Basis. Viele Worte werden da nicht gebraucht. Das kameradschaftliche Hand-in-Hand-Arbeiten, sehen, wo was gebraucht wird und danach zu handeln, ist Alltag und Praxis. Mit dem Chef Böttcher kein Problem: „Stellt euch vor, Ihr habt schlecht geschlafen, seid mit dem falschen Fuß aufgestanden, geht im Morgengrauen ins Büro, der Rechner ist nicht bereit zu arbeiten, Ihr seid schon ziemlich verzweifelt und dann kommt der Chef rein, man hört ihn schon pfeifen, bevor die Tür aufgeht: Da kriegt automatisch jeder gute Laune“, erzählt Herdenmanagerin Karin Bartz. Über Erfolge freut man sich gemeinsam und Rückschläge werden gemeinsam getragen. Die von Verbundleiter Arne Breder beim Frühstück in Dreibrück verlesene Tageslosung „Es gibt nichts Besseres, als dass ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil“, könnte kaum anschaulicher umgesetzt werden.

Landwirt Toias Böttcher (li.) gibt einen umfassenden Einblick in den Stand der Dinge. Lange Jahre leitete Dr. Günther Hartmann (re.) den Betrieb.

Und wie wird die Ernte? „Abgerechnet wird am Schluss“, weiß Tobias Böttcher. Er kann über den Ertrag noch nichts Abschließendes sagen. Das Frühjahr war zwar feucht, aber zu kühl. Der Mai deutlich zu trocken. Dennoch: „Bei der Arbeit unter freiem Himmel erlebt man immer wieder Überraschungen, gute und nicht so gute.“ Die Ernte der Wintergerste Anfang Juli war eine der guten Überraschungen. Das lässt hoffen.

Mit der Landwirtschaft ist Lobetal groß geworden

Ohne Landwirtschaft gäbe es keine Hoffnungstaler Stiftung Lobetal. „Die Landwirtschaft gehört zur Hoffnungstaler Stiftung Lobetal“, betonen die beiden Geschäftsführer Martin Wulff und Pastorin Andrea Wagner Pinggéra. Damit habe alles vor 118 Jahren begonnen. Damit konnte vielen Menschen geholfen werden. Auch Bereichsleiterin Susanne Bauer würdigte das beeindruckendes Engagement, die Motivation und den Spaß, den das Team bei seiner Arbeit hat. „Fachwissen und flexible Betriebsgestaltung im Sinne der Nachhaltigkeit machen das Team der Lobetaler Landwirtschaft zu etwas Besonderem. „Ich bin dankbar und stolz in diesem tollen Team arbeiten zu dürfen.“ Das kann man nicht laut genug sagen!

Rieffel/Kern, 02082023

Weitere Eindrücke über die Flur- und Stallbegehung finden Sie in der Gallerie.