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26. Juni: Stolpersteine in Rüdnitz verlegt

Wendepunkt-Mitarbeiterinnen Mandy Schlicht (li,) und Birgit Herr legen zum Gedenken Rosen nieder.

„Guten Tag, mein Name war Hermann Zeidler. Ich wurde 1882 in Hohenfinow geboren. Dort wuchs ich mit meinen jüngeren Geschwistern Berthold und Frieda auf. Wir wurden im jüdischen Glauben aufgezogen.“ So begann die Vorstellung eines ehemaligen Bewohners der Rüdnitzer Einrichtung Hoffnungstal durch die Mitarbeiterin Mandy Schlicht. Hermann Zeidler war einer der zwei Rüdnitzer Männer, die am 13. April 1942 ins Warschauer Ghetto abtransportiert wurden und nicht überlebte. 

Herman Zeidler war Kaufmann, dann Landarbeiter und mehrere Jahre bei einem Bauern in Grüntal angestellt, bis 1938 dessen Sohn den Hof übernahm und er nicht mehr gebraucht wurde. Danach war es für ihn als Jude unmöglich, Arbeit zu finden. Er konnte einige Wochen bei seiner Schwester Frieda in Berlin unterkommen, was aber keine Dauerlösung war. So wandte er sich in seiner Not an die Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal. Im Mai des gleichen Jahres wurde er dort in die Arbeitskolonie aufgenommen. 

Günter Demnig verlegt die Stolpersteine an Zufahrt zur Jugendhilfeeinrichtung Wendepunkt in Rüdnitz

1941 quittierte er den Erhalt des Judensterns und musste ihn sichtbar tragen. Im Frühjahr des Folgejahres verschlimmerte sich die Situation. Anfang April 1942 erfuhr er, dass er abgeholt werden sollte. Am 13. April war es dann soweit.  Um halb 11 fuhr eine „Grüne Minna“ mit bewaffneten Männern in dunklen Uniformen in Lobetal vor. Alle zehn betroffenen Menschen mussten in den Wagen steigen. Von dort wurde er nach Bernau zum Bahnhof gebracht. Es ging weiter über andere Sammelstationen ins Warschauer Ghetto.

Am 26. Juni wurden für ihn und Walter Guttsmann, beides Männer mit jüdischer Herkunft, durch Gunter Demnig, je ein Stolperstein verlegt. Die beiden Männer lebten vier Jahre auf dem heutigen Gelände der Jugendhilfeeinrichtung Wendepunkt in Rüdnitz. Zu der Zeit befand sich auf dem Gelände eine sogenannte Arbeiterkolonie, die durch den Verein Hoffnungstal, die spätere Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, errichtet wurde. 

Für die Theologische Geschäftsführerin Andrea Wagner-Pinggéra bringt die Verlegung von Stolpersteinen uns Menschen nah: „Erinnern ist notwendig, damit Menschen und Schicksale nicht in Vergessenheit geraten. Die beiden Männer werden lebendig, bekommen einen Namen und sind uns Mahnung Haltung zu zeigen. Verfolgung und Morden darf nicht sein.“

Die Gedenkveranstaltung wurde gestaltet von Mitarbeitenden und Jugendlichen der Jugendhilfeeinrichtung Wendepunkt. 

Gunter Demnig hat die Aktion Stolpersteine 1996 ins Leben gerufen. Bisher wurden ca. 100.000 Steine in 24 Ländern Europas verlegt. Damit sind die Stolpersteine das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Fotos: © Wolfgang Kern

Hintergrund

In den Hoffnungstaler Anstalten Lobetal fanden in der Zeit des Nationalsozialismus über 80 Menschen jüdischer Herkunft Aufnahme und Schutz an verschiedenen Standorten. Einige der Aufgenommenen lebten unbehelligt in den Einrichtungen. Für viele waren diese Orte ein Schutzraum auf Zeit. Dennoch fanden auch Deportationen statt. Am 13. April 1942 holte die Gestapo acht Menschen mit jüdischen Wurzeln aus Lobetal ab. Auch zwei Männer, die in Rüdnitz lebten, wurden in das Warschauer Ghetto gebracht. Einige fanden bereits dort den Tod. Die meisten wurden wenige Monate später im Vernichtungslager Treblinka ermordet.