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„Ich muss helfen“ - Wie drei Mitarbeitende sich für Geflüchtete aus der Ukraine engagieren

„Ich habe damit wirklich nicht gerechnet“, sagt Tetyana Noskova. Für sie kam der Krieg in der Ukraine überraschend. Frau Noskova ist in der Ukraine geboren. Sie kennt das ukrainische Volk, seine Kultur und Träume. Seit über zehn Jahre lebt sie in Deutschland, und seit kurzem ist sie Teil des Ukraine-Nothilfe- Teams der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal. Sie arbeitet regulär als Mitarbeiterin in der Therapeutischen Wohngemeinschaft für junge Menschen in der Bernauer Straße. Und zusätzlich unterstützt sie eben seit kurzem geflüchtete Menschen aus der Ukraine. „Ich möchte für die Menschen da sein. Ich muss helfen. Ich bin Ukrainerin.“

Für Olga Krel ist das Engagement ebenfalls alternativlos. Sie ist in Russland geboren,ihr Mann in der Ukraine. Frau Krel arbeitet als Betreuungsassistentin im Lazarus Haus. „Ich habe die geflüchteten Menschen auf dem Lazarus Campus gesehen und sofort gefragt: Was kann ich tun?“  Sie hilft wie Frau Noskova beim Dolmetschen, in der Begleitung und Vermittlung. Privat hat sie auch eine Familie aufgenommen, um die sie sich gemeinsam mit ihrem Mann kümmert.

Strukturen und Ressourcen aufgebaut

Dirk Rieber wollte eigentlich als Erzieher in den Warschauer Höfen arbeiten, einer Berliner Einrichtung für Menschen mit psychischer Erkrankung. Er bewarb sich dort im Februar. Frank Seewald, der dortige Einrichtungsleiter, hatte jedoch anderes im Sinn und fragte bei der Bewerbung, ob er sich vorstellen könne, in der Ukraine- Nothilfe einzusteigen. Das war für ihn keine Frage. Anfang März hat er von einer befreundeten Kita Hilfsgüter in die Ukraine und Menschen, die auf der Flucht waren, nach Deutschland gebracht. Die Situation lässt ihn nicht kalt.

Olga Krel blickt zurück: „Seit Anfang März sind wir auf dem Lazarus Campus unterwegs, um Ukrainerinnen und Ukrainern zu helfen. Zu Beginn war es etwas holprig, aber wo nicht?“ Zunächst ging es darum, sich einen Überblick zu verschaffen. Anfang März wurden 13 sehr unterschiedliche Menschen über verschiedene Anfragen, unter anderem durch die Berliner Stadtmission, aufgenommen. Die Namen wurden erfasst, es wurde geschaut, welcher Hilfebedarf besteht, Räume wurden vorbereitet, eine Küche eingerichtet. „Es war ungefähr wie am Hauptbahnhof in Berlin. Erst etwas unübersichtlich. Jetzt haben wir Strukturen aufgebaut und sind mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet“, so Rieber.

Alle Bereiche der Stiftung engagiert

Die Drei können viele berührende Geschichten erzählen. Zum Beispiel von der Mutter, die schwer an Krebs erkrankt ist und mit ihrer 14jährigen Tochter ankam. Sie konnten an eine Familie vermittelt werden. Dort können die beiden nun wohnen. Die medizinische Betreuung erfolgt in der Charité. Die Tochter besucht bereits eine Schule in Berlin- Gesundbrunnen.
Sie berichten von dem Paar, das sich auf der Flucht kennen gelernt hat. Der Mann ist blind. Die Begleitung kam extrem geschwächt an. Dann mussten sie wegen einer Coronaerkrankung in Quarantäne bleiben. Jetzt bewohnen sie jeweils ein eigenes Zimmer im Gästehaus.

Es engagieren sich alle Bereiche der Stiftung. Eine Mutter mit zwei erwachsenen Söhnen fand im Gästehaus in Lobetal eine Bleibe und eine Begleitung durch den ambulanten Dienst. Zwei ältere Frauen, 91 und 88 Jahre alt, wurden mit ihren Angehörigen im Albert-Schweitzer-Haus in Cottbus aufgenommen. Das Lazarus Haus an der Bernauer Straße übernahm zeitweise die Betreuung einer an Demenz erkrankten Frau.

Die Berichte zeigen, worum es bei der Aufnahme von Geflüchteten geht. „Es braucht eine intensive Begleitung. Wir stellen uns ständig auf neue Situationen ein. Dabei arbeiten wir eng mit Ämtern und mit Einrichtungen zusammen. Wir helfen, den Alltag zu verstehen und zu bewältigen.“ Wichtig sei, dass die formalen Angelegenheiten geregelt werden. So weiß Tetyana Noskova, dass sich die Menschen als Kriegsflüchtlinge registrieren lassen und eine Aufenthaltserlaubnis beantragen müssen. Erst dann besteht das Anrecht auf soziale Leistungen, medizinische Versorgung und ein Aufenthaltsrecht von zunächst zwei Jahren.

In Vorbereitung: Aufnahme behinderter Menschen

Wie weiter? Auf dem Lazarus Campus werden zwei Zimmer vorgehalten, um Menschen kurzfristig aufzunehmen, um sie dann weiter zu vermitteln. Der Landkreis Barnim hat sich an die Stiftung gewandt mit der Bitte, Familien mit behinderten Angehörigen aufzunehmen. Das wird derzeit vorbereitet. Ein Gebäude steht in Eberswalde bereit und wird ertüchtigt. Im Mai werden die ersten Familien mit behinderten Kindern einziehen. Dort wird Dirk Rieber die Leitung übernehmen. Er sagt zum Schluss: „Helfen: Das ist das einzigste, was ich machen kann gegen diese himmelsschreiende Ungerechtigkeit.“ Damit spricht er aus, was auch die beiden Frauen sehr bewegt.

WK

29.04.2022