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Interkulturelle Hospizbegleitung: Am Lebensende fern der Heimat

Der Berliner Ambulante Lazarus Hospizdienst begleitet Menschen mit Migrationshintergrund. Momenten werden Ehrenamtliche gesucht, die zweisprachig aufgewachsen sind oder neben Deutsch eine zweite Sprache auf Muttersprachenniveau sprechen.

Mehr als 1,3 Millionen Berlinerinnen und Berliner haben einen Migrationshintergrund. Zumeist sind sie von den Traditionen ihrer Ursprungsländer geprägt. Das zeigt sich auch in der Sterbebegleitung. Elizabeth Schmidt-Pabst ist Koordinatorin beim Ambulanten Lazarus Hospizdienst der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal in der Bernauer Straße in Berlin-Wedding. Sie selbst ist Migrantin, jüdischen Glaubens und in den USA geboren.

Sie kümmert sich unter anderem um den Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Amerikanerin, ausgebildete Krankenschwester, mit einem Bachelor of Science in Nursing, lebt seit über 20 Jahren in Berlin. Sie koordiniert die ambulante Begleitung schwer kranker Menschen und ihrer Angehörigen. Neben den Begleitungen hat sie das Projekt „Am Lebensende fern der Heimat" ins Leben gerufen.

Ein Schlüsselerlebnis brachte sie auf den Gedanken der Sterbebegleitung für Geflüchtete

Wie es dazu kam? „Mir fiel damals auf, dass es wenige Migranten gab, die eine Sterbebegleitung erhielten, dabei leben im Berliner Wedding doch sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund“. Eine kultursensible Sterbebegleitung benötigen z.B. Geflüchtete, ehemalige türkische Gastarbeiter, die schon lange in der Stadt leben, Roma, die in einer Obdachlosen-Einrichtung wohnen, einsame ältere Migranten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Und so sprechen viele Mitarbeitende des Hospizdienstes nicht nur Deutsch, sondern auch Arabisch, Türkisch, Englisch oder Polnisch. Auslöser für ihr Engagement war jener Mann aus Sierra Leone, der sich vor 20 Jahren in der Ausländerbehörde mit Benzin übergoss, weil er keine Aufenthaltsgenehmigung bekam, obwohl in seiner Heimat lebensbedrohliche Zustände herrschten. „Ich dagegen erhielt eine Genehmigung, weil ich aus den USA kam. Das war ein Grund, mich für solche Menschen einzusetzen, die nicht die Privilegien hatten wie ich damals".

Elizabeth Schmidt-Pabst freut sich über Menschen, die eine Sterbebegleitung übernehmen möchten. Sie das Projekt „Am Lebensende fern der Heimat" ins Leben gerufen.

Sie weiß, dass Geflüchtete zum Beispiel aus dem Irak oder Syrien, die sehr krank sind, in Deutschland gut aufgefangen werden. „Wenn dann jemand schwerstkrank ist, nimmt die Einrichtung Kontakt mit unserem Hospizdienst auf." Dann kommen Ehrenamtliche wie Hussam Khoder ins Spiel. Er wurde als Kind palästinensischer Eltern im Libanon geboren und kam als Zweijähriger nach Deutschland. Er ist sowohl in der arabischen als auch in der hiesigen Kultur zu Hause.

Die größte Herausforderung sei die Sprache, nicht die Religion.

Wie stellt man sich aber auf die Begleitung von sterbenden Menschen anderer Kulturen ein,  wo Sterben ja ganz anders in der Kultur und der Tradition verankert ist? Frau Schmidt-Pabst weiß: „Jede Sterbebegleitung ist individuell und einzigartig, unabhängig vom kulturellen Hintergrund. Im Kern sind alle Menschen gleich. Alle haben Angst, und alle wollen geliebt werden. Sterben ist ein Prozess. Man könne es vergleichen mit der Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling. Es gebe immer wieder ein Hadern, ein Abschiednehmen von dem was war, traurige Momente, aber auch Momente von Freude und Frieden.“

Bei geflüchteten Menschen komme hinzu, dass viele traumatisiert sind durch den Krieg, vor dem sie geflohen sind. Und es schürt ihre Ängste noch mehr, wenn sie der Sprache des Landes, in dem sie Zuflucht gefunden haben, nicht mächtig sind. Man brauche dann jemanden, der Muttersprachler ist. Die eigenen Kinder kämen nicht als Dolmetscher in Frage. Es gebe einen Rollenkonflikt, der sehr traumatisierend für das Kind sein könne. Zudem verstehen sie oft weder medizinische Zusammenhänge noch das deutsche Versorgungssystem. Auch gebe es kulturelle Tabus, die die Kommunikation erschweren, z. B. direkt über bestimmte Symptome oder Gefühle zu sprechen. Die größte Herausforderung sei die Sprache, nicht die Religion.

Hospizbegleiter Hussam Khoder weiß das. Er schildert die Begleitung eines Vaters mit seinem siebenjährigen Jungen. „2019 kam der Vater mit seinem schwerkranken Sohn aus dem Irak nach Deutschland, über das Meer, auf langen Wegen. Der Vater war gezielt nach Deutschland geflohen. Hier, hoffte er, würde man seinem krebskranken Sohn vielleicht retten können. Der Vater hatte seinen Jungen auf dem Rücken nach Deutschland getragen. Das Kind war schon zu schwach. Es überlebte nicht". Die Begleitung in der Muttersprache war dabei sehr wertvoll.

Damit das auch künftig geschehen kann, freut sich Elizabeth Schmidt-Pabst über Menschen, die eine Sterbebegleitung übernehmen möchten. „Wir suchen ehrenamtlich Mitarbeitende, die zweisprachig aufgewachsen sind oder neben Deutsch eine zweite Sprache auf Muttersprachenniveau sprechen.“ Es erfolgt zunächst ein sechsmonatiger Vorbereitungskurs. Hier werden die Teilnehmenden intensiv auf die Begleitung von schwerstkranken und sterbenden Menschen und deren Angehörigen vorbereitet. Die Menschen, die dieses Ehrenamt beginnen, sind zutiefst in ihrem Herzen motiviert, zu geben. Sie erfahren in der Begleitung dann, wie bereichernd diese Tätigkeit ist, wie viel sie selbst bekommen.

Der nächste Kurs für ehrenamtliche Sterbebegleiter beginnt im Frühjahr 2021. Interessierte können sich unter www.lazarushospiz.de informieren oder sich unter  030 / 46 705 276 bei Frau Elizabeth-Schmidt-Pabst melden.

20.11.2020
WK